Evangelische Kirchengemeinde
Essen-Altstadt

Leben neu gestalten

Ein Kreuz-Gottesdienst mit Dialogpredigt

Die Kreuzeskirche war am 4.8.2019 Schauplatz eines eindrucksvollen und besonderen Gottesdienstes. Gemeinsam mit dem Essener Künstler Alfred Kriege gestaltete Pfarrer Steffen Hunder einen Kreuz-Gottesdienst, in dessen Mittelpunkt eine Dialogpredigt stand.

Nicht ganz, denn im Mittelpunkt stand natürlich das Kreuz. „Jeder hat heute sein eigenes Kreuz in der Hand“, sagt Steffen Hunder, „und es ist eine kraftvolle Erfahrung, das Kreuz in den Händen zu spüren. Dieses Kreuz verbindet den Himmel mit der Erde.“ Alle Besucher des Gottesdienstes können ihr eigenes, kleines Kreuz fühlen. Der Künstler Alfred Kriege hatte Miniatur-Versionen seines Kunstwerkes anfertigen lassen, das im Seitenschiff der Kirche hängt.

„Wir wollen Sie heute mit dem Kreuz in Kontakt bringen“, führt Steffen Hunder weiter aus, „ein Kreuz, das uns Halt gibt.“ Gemeinsam mit den Liturginnen Ursula Kriege, Ehefrau des Künstlers und Heike Altmann, Art Directorin der Kreuzeskirche, bilden Alfred Kriege und Steffen Hunder ein symbolisches Kreuz im Altarraum der Kirche. Im Rahmen einer Kreuz-Inszenierung formulieren sie Bekenntnisse, Aufforderungen und Ermutigungen: „Akzeptieren bedeutet Umdenken lernen“, „Glauben heißt Vertrauen“, „Veränderung heißt Helfen.“

Es folgt ein Wechselspiel von Zitaten und Liedern mit den Bildern, die großflächig an den Wänden der Kirche zu sehen sind. Es beginnt mit einem Bekenntnis der Schuld, gefolgt von Worten des Zuspruchs.

„Aus welchem Grund ändern wir Dinge nicht, obwohl sie uns stören und vielleicht auch zerstören? Warum hinterfragen wir zu wenig? Was glauben wir?“ Alfred Kriege stellt gleich zu Beginn des Gottesdienstes Fragen in den Raum. Sehr persönlich schildert er Stationen seines Lebens, spricht von Brüchen und Veränderungen. „Ich möchte durch meine Kunst irritieren, Denkanstöße geben, dazu auffordern, das eigene Sein mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.“

Die Dialogpredigt leitet Pfarrer Hunder mit dem bekannten Vers ein, jeder habe sein eigenes Kreuz zu tragen. Dieser Satz wird oft negativ interpretiert. Hunder setzt einen anderen, positiven Schwerpunkt: „Jeder von uns bekommt die Chance, sein eigenes Kreuz als Lebensaufgabe zu sehen.“

Alfred Kriege beschreibt seinen Lebens- und Glaubensweg. Wie er als junger Schüler jeden Dienstag in einer benachbarten Kirche in den Gottesdienst ging und so schon früh einen direkten Bezug zur Kreuzeskirche hatte, die auf dem Weg lag. „Es hat sich vieles verbessert hier im Viertel“, sagt er heute.

Steffen Hunder geht auf die Biografie des Künstlers ein. Nach einem erfolgreichen Berufsleben hat sich Alfred Kriege entschlossen, Kunst zu studieren. „Erzähle uns von diesem spannenden Veränderungsprozess“, fordert Hunder auf. Alfred Kriege: „Die Veränderung in der Geschäftswelt gab für mich den Anlass. Über den Kopf des Einzelnen hinweg und ohne Bezug für die Probleme der Menschen werden Entscheidungen getroffen, die nur dazu dienen, den Gewinn zu maximieren. Deshalb entschied ich, mich um 180 Grad zu drehen. Akzeptieren, Respektieren, Hinterfragen: das sind meine heutigen Grundlagen. Über meine Arbeit fand und finde ich wieder zu mir.“

Pfarrer Hunder geht auf ein Zitat ein, dass Alfred Kriege für die Ausstellung ausgesucht hat: „Der weise Mensch hofft nicht auf ein Leben ohne Leid. Er wünscht sich stattdessen die Stärke, um jedes Leid überwinden zu können.“ Hunder verknüpft dieses Zitat mit der Botschaft des Kreuzes: „Jesus ist mit Gottes Hilfe den Weg ans Kreuz gegangen, damit wir darauf vertrauen können, dass wir nicht tiefer fallen können, als in die Hände Gottes. Gibt es Situationen im Leben, wo du das erlebt hast?“ fragt er Alfred Kriege. „Ja, es gab viele Momente in meinem Leben, in denen ich verzweifelte“, antwortet Alfred Kriege, „ich stellte mir oft die Frage, warum geschieht mir das, wo ist Gott.“
Kriege akzeptiert, dass Gott keine Person sein kann. „Für mich ist Gott das Universum, das verstehe ich rational nicht, aber mit dem Herzen.“ „Kopf trifft Herz - Verstand trifft Gefühl. In dieser Spannung leben wir“, antwortet Pfarrer Hunder. „Der Verstand sagt, mach´ das nicht, das geht in die Hose. Aber unser Herz sagt `ich folge dir´. Die Kunst ist es, unser rationales Denken mit unseren Gefühlen in Einklang zu bringen.“

Diese Dialogpredigt geht auf viele weitere Themen ein. Es ist ein spannendes Format, um persönliche Erfahrungen mit gesellschaftlich relevanten Fragen zu kombinieren. Alfred Kriege: „Sich selbst zu finden, bedeutet Veränderung.“ Steffen Hunder: „Mich hat es sehr bewegt, dass du mit deinen Kunstwerken ein Stück Lebensgeschichte aufgeschrieben hast. Für mich ist Alfred Kriege ein lebender Zeuge dafür, dass die Brüche, die wir in unserem Leben erfahren, nicht unser Leben zerbrechen, sondern dass sie dazu führen, dass wir Leben nochmal ganz neu gestalten.“
Bei der Gestaltung der Liturgie hatten Heike Altmann und Ursula Kriege einen wesentlichen Anteil, die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes lag bei Kantor Gerald Steppuhn.

Uwe Ernst